Sigmar Gabriel (SPD), Bundesminister für Wirtschaft und Energie,
konnte es kaum schnell genug gehen. Am 20.01.2017 veröffentlichte
sein Ressort via Pressemitteilung vorläufige Zahlen bezüglich der
Rüstungsexportgenehmigungen. Knapp eine Mrd. Euro weniger durfte die
deutsche Rüstungsindustrie 2016 im Vergleich zum Vorjahr ins Ausland
verkaufen. So schrumpfte die Summe von 7,86 Mrd. Euro 2015 auf 6,88
in 2016.
Drittländer, also Staaten außerhalb der EU oder der NATO, wurden
mit Ausfuhrgenehmigung von 3,69 Mrd. Euro bedacht. Zuvor wurden hier
noch 4,62 Mrd. Euro umgesetzt. Dabei sind insbesondere Großprojekte,
wie etwa ein Schiff für die Marine Algeriens für den Betrag
verantwortlich.
Ein voller Erfolg für den Bundesminister, kündigte er doch zu
seinem Amtsantritt eine restriktive Exportpolitik an. Wirtschaftlich,
vor allen aber politisch muss man dem SPD-Politiker und seinem
Ressort Versagen bescheinigen. Die Bundesrepublik beraubt sich
mehrerer wichtiger Instrumente und schränkt ihr künftigen
Handlungsspielraum erheblich ein.
Es gilt zunächst festzuhalten, dass der Einwand der ökonomischen
Bedeutung eine eher untergeordnete Rolle spielt. Gerne wird, gerade
von der Rüstungsindustrie selbst, eingeworfen, der Export sichere
Arbeitsplätze und Steuereinnahmen für Deutschland. Das gesamte
Sicherheitsgewerbe beschäftigt jedoch gerade einmal etwa 310.000
Arbeitnehmer. Bricht man die Zahl auf die Verteidigungsbranche
herunter, sind es gerade einmal 98.000, in der reinen
Rüstungsindustrie verdienen schließlich lediglich 20.000 Menschen
ihre Brötchen. Der gesamte Anteil am bundesdeutschen
Bruttoinlandsprodukt dürfte unter einem Prozent liegen. Die rein
wirtschaftlichen Auswirkungen von Exporteingrenzungen bleiben somit
volkswirtschaftlich marginal.
Sollten für den Staat die wirtschaftlichen Folgen vergleichsweise
gering sein, für die betroffenen Unternehmen ist sie ungleich höher.
Ein Großteil der produzierten Waren wird ins Ausland geliefert. Eine
Beschränkung des Exports wird derzeit nicht durch einen adäquaten
Mehrbedarf der Bundeswehr gedeckt. Was bedeutet das im einzelnen? Die
Stückkosten für ein Produkt steigen, da weniger abgesetzt wird.
Ausgaben für Entwicklung und Herstellung steigen, was jedoch auch
einen Effekt auf die Streitkräfte selbst haben kann. Deutsche
Rüstung wird teurer. Zwangsläufig muss man entsprechend entweder
die Rüstungsindustrie durch höhere Verteidigungsausgaben
unterhalten oder sich über den freien Markt versorgen (der nicht
jederzeit gegeben ist). Die Erosion der Branche in der Bundesrepublik
wäre die Folge. Deutschland würde nachhaltig Innovationskraft und
die Fähigkeit, sich für den Ernstfall selbst versorgen zu können,
verlieren.
Von größter Bedeutung der souveränen Staatsführung wird somit
die verteidigungspolitische Dimension. Der Staat verliert die
Möglichkeit, Entwicklung selbst zu steuern. Eine eigene
bedarfsorientierte Forschung wird eingeschränkt.
Produktionskapazitäten müssen zwangsläufig abgebaut
beziehungsweise verlagert werden. Waffentechnisches Know-How geht
verloren. Man ist auf das Angebot am Markt angewiesen und begibt sich
dadurch in eine Abhängigkeit. Diese wirkt sich an einer anderen
Stelle fatal aus. Bisher herrscht weitgehend die grundsätzliche
Ansicht vor, der souveräne Staat benötigt auch unmittelbaren
Zugriff auf die logistische Kette der Rüstung. Im Falle einer
Auseinandersetzung ist er ansonsten nicht vom freien Markt abhängig,
sondern von externen Akteuren, die selbst gesteuert werden. Das
heißt, er kann durch Exportbeschränkungen anderer Staaten von
seinem Nachschub an Ersatzteilen, Munition oder aber von adäquaten
Kriegsgerät als auch der selbst abgeschnitten werden. Dasselbe
trifft entsprechend auf Fachwissen zu. Die Wartung, Weiterentwicklung
sowie Neuentwicklung müsste durch ausländische Unternehmen
gewährleistet werden.
Da diese Perspektive auch auf andere Staaten zutrifft, gewinnt die
Bundesrepublik durch Rüstungsexporte ein nicht unerhebliches
außenpolitisches Instrument. Die Empfängerstaaten sind umfänglich
abhängig von der Logistik, zumindest insofern es sich um
High-Tech-Gerät handelt. Ein Kampf- oder Schützenpanzer, Fregatten,
U-Boote oder Hubschrauber benötigen intensive technische
Unterstützung bei der Instandhaltung. Ersatzteile sind kaum einfach
zu plagiieren (es sei man nimmt beträchtliche Qualitätseinbußen in
Kauf). Auch Munition kann nicht aus dem Nichts selbst hergestellt
werden. Selbst die Ausbildung an den Geräten bedarf eines hohen
Aufwands an Zeit und gut geschulten Personal.
Durch das Druckmittel kann Einfluss auf die (sicherheits-)
politische Gestaltung des Empfängerstaates genommen werden, wenn
auch nur in einem begrenztem Ausmaß. Faktisch kann allerdings eine
Annäherung erreicht werden.
Doch was spricht gegen den Export deutscher Rüstungsgüter?
Naheliegend scheint zunächst der Schluss zu sein, dass geringere
Waffenexporte zu weniger Gewalt führen. Wohl kaum trägt dieses
Argument. Sind es nicht deutsche Waffen, so finden russische,
us-amerikanische, chinesische, französische oder aus anderen Staaten
ihren Weg in Krisengebiete. Die weit verbreitete Kalaschnikow ist
hierfür regelrecht ein Symbol.
Somit verbleibt nur ein moralischer Imperativ: Kein Leid durch
deutsche Waffen! Autoritäre Regime sollen nicht gestützt werden.
Saudi Arabien, Oman, Katar oder Indonesien sind nur wenige Staaten,
die deutsche Waffen gerne importieren, nicht jedoch westliche Werte.
Menschenrechte werden hier oft massiv verletzt, der Machtanspruch der
Herrscher nicht selten mit Gewalt durchgesetzt. Macht das deutsche
Volk sich durch die Genehmigung von Waffen und Munition schuldig am
Leid unterdrückter Bevölkerung? Das ist jedenfalls keine zu
vernachlässigende Betrachtung.
Zusammenfassend gilt es abzuwägen, inwieweit sich der Staat von
moralischen Erwägungen leiten lassen möchte. Der Preis hierfür ist
in einer realpolitischen Perspektive hoch. Internationaler Einfluss
und der souveräne Handlungsspielraum erscheinen allerdings als
teuer, gegebenenfalls zu teuer.
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