Die Grenzen dicht machen, die Festung Europa ausrufen und bis aufs
Blut verteidigen? Bisherige Migranten mit allen zur Verfügung
stehenden Transportmitteln zurück oder einfach nur weg verbringen?
Die entschiedene Antwort muss hier Nein lauten. Der Begriff
Flüchtlingschaos soll in diesem Beitrag nicht im Sinne der negativen
Konnotationen bezüglich einer schier endlosen Zahl von Migranten aus
aller Herren Länder, die zur eigenen Bereicherung den Weg ins
gelobte Land auf sich nehmen, verwendet werden. Vielmehr muss sich
tiefgreifender mit einer weiteren Perspektive beschäftigt werden –
der Wiederaufbau zerfallener Gesellschaften.
Der Krieg in Syrien, Naturkatastrophen oder schlichte
Misswirtschaft und Perspektivlosigkeit in Herkunftsländern sorgen
für ein Ausbluten der unterschiedlichen Gesellschaften. Das äußert
sich auf unterschiedlichste Weisen. Im Fokus dabei stehen jedoch
maßgeblich zwei Faktoren – einerseits der Brain-Drain, also das
Abwandern qualifizierter beziehungsweise talentierter Menschen,
andererseits die verlorene Generation, die ihre Jugend in den Wirren
von Konflikten und Flucht verbringt, anstelle ausgebildet und
sozialisiert zu werden.
Diese beiden beiden Faktoren werden zwangsläufig dazu führen,
dass die betroffenen Regionen in einer Krisenlage verhaftet bleiben,
selbst wenn es gelingen sollte, diverse Krisen einzudämmen oder gar
zu beseitigen.
In Deutschland und Europa versteift man sich zusehends darauf,
Flüchtlinge zum einen in die Gesellschaft zu integrieren und zum
anderen aber ihnen überhaupt erst die Ankunft zu verwehren. Chaos
und negative Auswirkungen werden zunächst nur kurzfristig auf das
aufzunehmende Land in Form von Sozialkosten, kulturelle
Auseinandersetzungen sowie Einfluss auf die Kriminalitätsstatistiken
verknüpft. Auch die Geldsummen, die aufgewandt werden müssen, um
die Flüchtlinge zu unterhalten, sorgen für erhebliche Bedenken.
Unlängst hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) am Anfang
des Jahres Kosten von rund 50 Milliarden Euro bis Ende 2017 für den
Staat prognostiziert, davon ausgehend dass über zwei Millionen
Asylsuchende in der Bundesrepublik Zuflucht suchen. Die Folgekosten
einer verfehlten Politik jedoch werden sich nicht nur zu diesen
aufaddieren, sondern vielmehr ein ungleiches höher sein, als
unmittelbar andere Lösungsansätze zu verfolgen.
Der wohl wichtigste Schlüssel zur Zukunft ist Bildung und
Qualifikation. Das betrifft alle Anteile innerhalb des
Gemeinschaftslebens. Die Wirtschaft, gerade in den hochgradig
globalisierten und vernetzten Wirtschaftssystemen, bedarf eines
umfangreichen Wissens. Das umfasst über das rein technische
Verständnis über Produktionssysteme, betriebswirtschaftlichen
Kalkulationen und Strukturen auch Prinzipien der Menschenführung.
Dieser Punkt führt weiter zur sozialen Herausforderung. Eine moderne
Gesellschaft kann nur schwer über Eliten, die maßgeblich durch
Kriegserfahrungen geprägt wurden, aufgebaut werden. Die derzeitigen
Anforderungen an eine Gesellschaft sehen neben autoritären
Elementen, die entgegen eines allgegenwärtigen Paradigmas, ja Dogmas
der Unfehlbarkeit und Universalität der Demokratie als Herrschafts-
und Gesellschaftsform immer noch weit verbreitet als auch nicht zu
unterschätzen oder per se als anachronistisch zu verwerfen sind,
auch Formen der Teilhabe vor. Die Ansicht, ein autoritäres und oder
autokratisches System schließe aus dem Selbstverständnis heraus
eine Teilhabe der einzelnen Bürger aus, muss nicht stimmig sein. Als
ein Beispiel hierfür kann der südostasiatische Stadtstaat Singapur
angeführt werden. Hier herrscht ein marktwirtschaftliches System
unter einer starken politischen Kontrolle vor. Um ähnliches zu
ermöglichen, bedarf es des grundlegenden Verständnisses von
Marktwirtschaft, Organisationsformen und Interessenformulierung.
Auch das politische System selbst darf nicht vernachlässigt
werden. Wiederum muss hier der Verweis erfolgen, dass nicht
zwangsläufig ein parlamentarisches Demokratiemodell entstehen muss.
Hierfür fehlt ohnehin oftmals die kulturelle Verankerung. Dennoch
muss auch die Arbeitsweise von Exekutive und Judikative bedacht
werden. Die Verwaltung des öffentlichen Lebens funktioniert nicht
aus dem Stegreif. Ohne das Fachwissen über Administration kann kein
effektives Staatswesen erwachsen.
Auch der Aspekt der Rechtsstaatlichkeit oder zumindest einer
funktionierenden Rechtsprechung darf nicht aus dem Blick geraten.
Genau dieser Aspekt ist Basis für die Aufarbeitung von Konflikten.
Weitergehend sorgt er für die Grundlage wirtschaftlichen Wachstums
im Sinne einer marktwirtschaftlichen Entwicklung.
Doch wie werden diese Pfeiler einer Gesellschaft, die sich in der
Diaspora befindet, errichtet? Als ersten Schritt müssen feste
Infrastrukturen geschaffen werden, sichere Rückzugsorte, die
militärisch geschützt und in Hinblick auf die innere Ordnung
polizeilich organisiert werden. Geografisch macht es durchaus Sinn,
diese Nahe der Heimatregionen der Flüchtlinge zu implementieren.
Hierdurch können lange und gefährliche Fluchtwege vermieden werden.
Weiterführend müssen die Flüchtlinge die gesellschaftliche und
vor allen ökonomische Organisation vor Ort überwiegend, unter
Hilfestellungen sowie Anleitung, selbstständig übernehmen. Dabei
müssen nach Möglichkeit alle Aspekte des Lebens abgebildet werden.
Unterschiedliche Wirtschaftszweige beziehungsweise -sektoren, vom
Primär- zum Quintärsektor (Urproduktion, Industrie, Dienstleistung,
Information, Entsorgung), führen dabei entlang wichtiger
gesellschaftlicher Bestandteile. Die Flüchtlinge müssen befähigt
werden, sich untereinander ausbilden zu können. Ihnen muss der
kreative Umgang mit Ressourcen ermöglicht werden. Sie müssen am
Aufbau der Infrastruktur beteiligt werden. Schlichtweg bedarf es
einer zukunftsorientierten Perspektive, die auch wieder zurück in
die Heimat führen kann.
Dabei darf die Verantwortung nicht bei den Aufnahmestaaten alleine
liegen. Diese sind bereits jetzt durch die hohe Anzahl von
Asylsuchenden überlastet. Die jeweiligen Volkswirtschaften bieten
kaum genügend Wohnraum oder Ressourcen. Unter der Flagge der
Vereinten Nationen müssen unter der überwiegenden Unterstützung
der Industriestaaten in Hinblick auf die Bereitstellung von Know-How,
militärischen Kräften und materiellen Ressourcen solche
Flüchtlingsstädte aufgebaut werden.
Durchaus muss man sich dennoch bewusst sein, dass dieser Ansatz in
seiner Umsetzung sehr schwer durchzuführen sein würde. Alleine die
Bestimmung von geeigneten und verfügbaren geografischen Lagen für
solche Orte ist eine Herkulesaufgabe. Ebenso die Bereitwilligkeit,
solche Projekte ambitioniert zu unterstützen, dürfte recht gering
ausfallen, da der unmittelbare Nutzen nicht sichtbar dargestellt
werden kann. Selbst die Entsendung von Personal wie Soldaten oder
Entwicklungshelfer wird kaum im notwendigen Maße sichergestellt
werden können.
Dennoch erscheint ein Projekt von dieser Art eines Versuches wert.
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