Dienstag, 26. Juli 2016

Zwischen Tradition und Reaktion – Deutschlands Konservative im Niemandsland (Teil 1)

Als Konservativer hat man es in der Bundesrepublik wahrlich nicht leicht. Die Sozialdemokratie hat gewonnen. Sie okkupierte sogar die einstige konservative Partei CDU. In einem mehrteiligen Essay soll der Konflikt des konservativen Bürgers skizziert werden.


Die Parteienlandschaft


Die Christlich Demokratische Union hat unter ihrer Parteivorsitzenden und amtierenden Bundeskanzlerin Angela Merkel sämtliches Profil eingebüßt. Ausweitung der Rentenansprüche, ein Zickzackkurs in der Energiepolitik, die Aussetzung der Wehrpflicht, Bildungspolitik als Versuchsfeld der Sozialpolitik, Aufgabe des traditionellen Familienbildes und die Liste kann gewiss weitergeführt werden. Einzig die solide Haushaltspolitik unter Wolfgang Schäuble scheint als „schwarzer Kern“ unter dem Motto der „schwarzen Null“ erhalten geblieben zu sein. Eisern verteidigt dieser seinen Erfolg, obgleich viele Ressorts anlässlich der augenscheinlich üppigen Finanzlage nahezu täglich ihren Wunschzettel erweitern. Auch noch Teile der Europapolitik konnten bewahrt werden, obgleich die CDU hier nicht einem politisch-ideologischem Dogma folgt, sondern eher einem gewissen Funktionalismus zu gehorchen scheint. Das soll heißen, Europa wird gelebt und verteidigt, weil es im Prinzip keine andere Möglichkeit gibt.

Doch das alleine reicht dem Konservativen eben nicht. Er braucht Verlässlichkeit, Ordnung, Struktur, einen ideologischen Leitfaden, ein wenig Biedermeier Kultur.
Die Schwesterpartei Christlich Soziale Union ist da schon deutlich mehr bemüht, das alte Stammklientel wenigstens anzusprechen. Dem eigenen Parteiziel frei nach Franz Josef Strauß, dem Übervater der CSU, rechts keiner anderen Partei Raum ins Establishment zu gewähren, wird misslingen. Zwar sucht man händeringend um Stammtischparolen, am besten noch vor der Ausrufung durch den sonstigen (Rechts-) Populisten, dennoch scheint der rechte Rand sich auszuweiten. Geschickt positioniert sich die CSU als Opposition in der Regierung. Ein einheitlicher Kurs der eigentlich eng miteinander verbandelten Unionsparteien ist immer weniger zu erkennen. Ebenso kühn schafft es die CSU darüber hinaus, politische Fehlentscheidungen (oder diejenigen, die als solche wahrgenommen werden), in andere Schuhe zu schieben. Die FDP musste so zum Beispiel für die Senkung der Mehrwertsteuern für Hotels nahezu alleine verantworten. Sie wurde und wird dafür noch spöttisch als Mövenpick-Partei betituliert. Nur die Christsozialen machten ebenso Wahlkampf und sammelten auch von Baron von Finck (aus der Mövenpickgruppe) üppige Spenden ein. Vom Betreuungsgeld, das einst Glanzstück bayrischer Familienpolitik war, spricht heute kaum noch jemand. Unbeschadet schafft sich die Partei beziehungsweise ihr Vorsitzender durch den politischen Betrieb. Gewiss eine interessante Wahlmöglichkeit, jedoch nur im Land des Hefeweizen und der Weißwürste. Entgegen diverser Planspiele der Parteiführung wird sich daran auch nichts ändern.
Schaut man nun zu diesem Rand, tummeln sich ein paar Schmuddelkinder der Demokratie. Da laviert die NPD, seit der Einverleibung der DVU noch mit dem Beinamen Die Volksunion, herum, um sich als Nachfolgepartei der NSDAP zu inszenieren und dennoch irgendwie noch ein klein bisschen verfassungskonform zu sein. Weiterhin, meist noch eingeschränkter in Raum und Denke, neuere Formate wie Der Dritte Weg, Die Rechte, die Pro-Bewegung, Die Freiheit und ähnlich wohlklingende Parteien, die sich meist als wertkonservativ und oder gar liberal bezeichnen, klassischer Weise jedoch recht illiberal, kriminell und schlichtweg Anti sind. Hauptsache gegen das System scheint hier das Motto zu sein. Mit derlei reaktionären sowie sozialrevolutionären Gedankenspielen wird der eigentliche Konservative eher abgeschreckt.
Dann gibt es da neuerdings auch noch die sogenannte Alternative für Deutschland. Die Marke AfD ergab sich aus der damaligen Euro-Rettungspolitik, die durch Bundeskanzlerin Merkel durch den Verweis auf die Alternativlosigkeit verteidigt wurde. Aus der damaligen Professoren-Partei, die sich als Euro-Skeptiker und DM-Nostalgiker konstituierten wurde im Zuge der Flüchtlingskrise eine zunehmend rechtsradikale Partei. Der damalige Parteichef Lucke ließ derartige Umtriebe nur zu gerne zu, garantierten sie doch ein enormes Wählerpotenzial. Scheiterte die AfD bei der letzten Bundestagswahl an der Fünf-Prozent-Hürde, feiert sie derzeit zweistellige Ergebnisse in Landtagswahlen. Der Richtungsstreit und die Machtfrage drängte den ehrwürdigen Professor aus seiner eigenen Partei, was ihn flugs dazu inspirierte eine neue zu gründen. ALFA (Allianz für Fortschritt und Aufbruch) kommt nun doch nicht mehr so lässig über die Zunge. Die Persilflage auf Merkels Regierungsstil ist damit dahin und mobilisiert auch nicht mehr den einfach zu begeisternden Protestwähler. Zusammenfassend hätte die AfD sich als rechtsliberale Wirtschaftspartei etablieren können, freilich mit dem Schicksal als kleine Randpartei ohne großen Einfluss, dafür vielleicht etwas seriöser und von einem Konservativen potentiell wählbar. Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit und ein dezidiertes Wertekonstrukt fehlen jedoch im aktuellen Kurs. Vielmehr versucht man weiterhin mit gezielten Tabubrüchen und dem darauffolgenden Verweis, man sei missverstanden oder falsch dargestellt worden, den Protestwähler zu erreichen. Protestwahl ist jedoch nicht konservativ.

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